Life, expeditions, collections and unpublished field notes of Dr. Emil-Heinrich Snethlage – deutsch

Ich bitte um Nachsicht, daß ich als Jurist keine spezifischen ethnologischen Kenntnisse habe. Vielleicht erzähle ich Ihnen Dinge, die ihnen selbstverständlich erscheinen. Auch bitte ich mir mein Englisch nachzusehen. Ich lernte es nur in der Schule. Ich werde kurz das Leben meines Vaters skizzieren, dann seine beiden Forschungsreisen vorstellen, dann die von ihm 1933/35 besuchten Indianerstämme vorstellen, berichten, was ich über den Verbleib seiner Sammlungen weiß, und kurz auf das eingehen was noch in seinem Nachlaß in meinem Besitz vorhanden ist.

Mein Vater, Dr. Emil-Heinrich Snethlage, ist 1897 in Bremerhaven geboren und bereits 1939 mit 42 Jahren gestorben, an den Folgen einer im Kriegsmarinedienst erlittener Verletzung. Ich selbst war damals drei Jahre alt. Ich kann also nicht aus erster Hand über ihn berichten.

Er war promovierter Ornithologe. Nach seiner ersten Forschungsreise 1923/26 wandte er sich aber aus Passion der Ethnologie zu. Zuletzt war er stellvertretender Leiter der südamerikanischen Abteilung am Völkerkunde-Museum in Berlin.

Schul- und Studienzeit

Seine Schulzeit war recht unruhig durch die verschiedenen Dienstorte seines Vaters in Pommern, in der Neumark, in Schleswig-Holstein und in Westfalen. 19178 wurde er zum Kriegsdienst bei der Kriegsmarine in Wilhelmshaven eingezogen. Nach seiner Entlassung 1919 und anschließendem Abitur studierte er Botanik, Zoologie und als Hauptfach Ornithologie. Vorbild war ihm seine Tante, die Ornithologin Dr. Emilie Snethlage. Sie war in Pará/Brasilien um Museum Goeldi tätig. Studienorte waren Freiburg, Kiel, zuletzt Berlin. Er promovierte dort 1923 zum Dr. phil. über ein zoologisches Thema aus dem südamerikanischen Bereich (”Beiträge zur Kenntnis der Gattung Cecropia und ihrer Beziehungen zu den übrigen Conocephaloideen” Friedrich-Wilhelms-Universiotät Berlin).

1. Forschungsreise Nordostbrasilien 1923/26

Sofort nach seiner Promotion reiste er im März 1923 nach Brasilien ab, um dort auf einer ersten Forschungsreise mit seiner Tante Dr. Emilie Snethlage, gemeinsame ornithologische Forschungen zu betreiben. Vom Februar 1924 an war er während seines Aufenthaltes in Nordostbrasilien auf sich alleine angewiesen und kam bald in nähere Berührung mit den Guajajara und den Krân-Stämmen, über die er später publizierte.

Museum für Völkerkunde Berlin

Im Sommer 1926 traf Emil Heinrich Snethlage wieder in Deutschland ein und wurde im Frühjahr 1927 mit der Betreuung der südamerikanischen Sammlungen des Berliner Museums für Völkerkunde beauftragt. Überraschend schnell fand er sich in die Völkerkunde hinein. Passioniert widmete er dieser damals noch jungen Wissenschaft bis zuu seinem vorzeitigen Tode seine Arbeit.

1933-1935 2. Expedition nach Bolivien/Brasilien

1933/35 ging er mit Mitteln der Baeßler-Stiftung für das Berliner Museum auf seine zweite Expedition. Sie führte ihn in das brasilianisch-bolivianische Grenzgebiet am Rio Guaporé. Hier besuchte er nacheinander die Moré, die sich bis dahin allen Annäherungsversuchen unzugänglich erwiesen hatten, die Kumana, Abitana-Huanyam, Amniapä und Guaratägaja, Makurap, Jabuti, Arikapu, Wayoro und andere Stämme. Von allen brachte er reiches Material in Gestalt von Sammlungen und Aufzeichnungen nach Hause. Zitat: “Diese Expedition wurde mit den einfachsten Hilfsmitteln ausgeführt und verdankte ihren vollen Erfolg vor allem der persönlichen Anspruchslosigkeit Emil Heinrich Snethlages und seiner menschlichen Güte, die ihm die Herzen der Indianer gewann”. Zitat Ende.

Veröffentlichungen

Über seine Reise veröffentlichte er außer einigen kleineren Arbeiten 1937 sein populärwissenschaftliches Buch “Atiko y” und eine wissenschaftliche Studie “Über die Musikinstrumente im Guaporégebiete. Es sollten Monographien über die einzelnen Stämme folgen. Die über die Moré hatte er bereits in Angriff genommen. Ebenso war die Herausgabe seiner Wörterverzeichnisse geplant. Sein vorzeitiger Tod vereitelte diese Arbeiten. In der Museumsarbeit beschäftigte er sich eingehend mit den alt-peruanischen Sammlungen des Museums, für dessen Webereien er eine neue praktische Systematik fand. Er veröffentlichte Studien über ein Ikat-Gewebe aus Peru sowie über Form und Ornamentk alt-peruanischer Spindeln.

Pläne

Kurz vor seinem Tode wurde er noch am 5. Oktober 1939 mit der stellvertretenden Leitung der Amerikanischen Sammlungen des Museums für Völkerkunde betraut Zitat nach Dr. Nevermann: “Vor seiner Einberufung war er auf dem Höhepunkt seines Schaffens angelangt und wandte sich weitergefaßten Themen zu: einer Arbeit über südamerikanische Symbolik, zu der einen Teil bereits ausarbeitete, .. , einer Untersuchung über den Kulturwandel in Südamerika unter besonderer BHerücksichtigung der Mischlingsfrage und Abhandlungen über das Wesen des Medizinmannes und des Mana- und Seelenbegriffes der südamerikanischen Indianer. Noch auf seinem schweren Krankenlager sprach er immer wieder von diesen Arbeiten, unter denen ihm die letzten besonders am Herzen lagen, und hoffte auf die Zeit, in der er sich ganz der Ausarbeitung seiner vielen Pläne hingeben konnte.” Zitat Ende.

Die Forschungsreisen im Einzelnen:

Forschungsreise 1923/26

Mit der Ornithologin Dr. Emilie Snethlage nach S. Luiz
Anfang 1923 reiste Dr. E.H. Snethlage nach Brasilien zu seiner Tante Dr. Emilie Snethlage, die am Museum Goeldi in Belem do Pará tätig war. Mit ihr zusammen unternahm er von Juli 1923 bis Februar 1924 eine ornithologische Forschungsreise nach Maranhaos in Nordostbrasilien , das bis dahin ornithologisch noch kaum erforscht war. Stationen waren San Luiz, San Bento, Tury-assú (damals noch Überfälle zivilisations -feindlicher Urubú-Indianer), Alto de Alegria, Insel Mangunça.

Als Ornithologe für das Field-Museum, Chicago, unterwegs

Allein, mit Aufträgen des Field-Museums in Chicago versehen, bereiste er von März 1924 bis April 1926 das Landesinnere: von San Luiz, wegeh Hochwassers unter erheblichen Schwierigkeiten abwechselnd mit der Eisenbahn und zu Schiff über Rosario den Rio Itapicurú hinauf bis Codó und Cocos, damals nur eine Bahnstation mit einigen Hütten.

Mit Maultieren weiter über Pedreiras am Mearim nach Barra do Corda. Zu den in der Umgebung wohnenden “zahmen” , aber noch wenig erforschten Indianern nahm er Kontakt auf, es waren die zum Sprachstamm der Ge gehörenden Cran -Stämme der Remkokamekrã und der Aponyekrã, beide Canellas, und die zu den Tupi gehörenden Guajajáras.

Bei den Canellas im Remkokamekrã-Dorf Ponto, etwa 120 km südlich von Barra do Corda im Quellgebiet des Rio Corda gelegen, verbrachte er einige Zeit und gewann das Vertrauen der Indianer. Er berichtet von einer belustigenden Ansinnen der Indianer: Zitat: “Ich sollte bei Ihnen bleiben und ihr Häuptling werden. Hauptantrieb war wohl der Gedanke, sich mit Hilfe eines kriegerischen Deutschen und dessen Waffen an den verhassten, umwohnenden brasilianischen Ansiedlern rächen zu wollen. Ich nahm das zuerst nicht ernst. Als ich aber die Absicht zu erkennen gab, aufzubrechen, wurden mir Vorstellungen gemacht und zur Bekräftigung ein hübsches Indianermädchen, das höchstens 11 Jahre zählte, zugeführt. Meine Proteste halfen nichts. Ich saß richtig in der Klemme, da ich meinen Diener und meine Lasttiere nach Baara do Corda zurückgeschickt hatte. Erst als ich den Indianern den Wunsch aussprach, meine Eltern doch noch einmal wiedersehen zu wollen, verstanden sie sich dazu mich fort zu bringen.” Zitat Ende.

Guajajára

Von Barra da Corda ritt mein Vater im Oktober 1924 nach Grajahú und lernte dort die versteckt im Monsunwald gelegenen Dörfer der der Guajajára (Tupi), (damals noch ca 1500 Seelen) kennen sowie später auf der Bootsfahrt den Rio Grajahú hinunter die der unmittelbar benachbart siedelnden Kreapimkataye (Cran-Stamm der Tymbiras, Sprachstamm der Ge)

Apinaye

Anfang Dezember 1924 war er zurück in San Luiz, reiste aber unmittelbar anschließend weiter in den Staat Céará um auftragsgemäß ornithologisch zu sammeln. Über Ipiapaba, Céará und Arára zurück nach Parnahyba und von dort, nach einem Abstecher ins Landesinnere nach Deserto, den Rio Parnahyba ca 540 km flußaufwärts über Teresina, der damaligen ca 20 000 Einwohner zählenden Hauptstadt des Staates Piauhy nach Amarante/S. Francisco auf der Grenze zwischen Piauhy und Maranhao und nach kurzem Sammelaufenthalt weiter nach Floriano, Urussuhy, Inhumas und Tranqueira. Über Goyaz und Certeza ging es dann im Oktober 1925 zunächst auf einem eigenen kleinen Floß, später auf größerem Handelsfloß den Rio Tocantins hinunter über Pedro Alfonso nach Carolina, das kurze Zeit später von Revolutionären, aufständischen brasilianischen Soldaten, besetzt wurde, die sich aber als sehr diszipliniert erwiesen. Nach Abzug der Soldaten Ende November 1925 reiste er weiter in den Bereich der S. Antonio-Fälle und kam dort in Kontakt mit den Apinagés (auch Apinaye), ein Cran-Stamm aber mit dem “g” statt des bei den Maranheser Horden gesprochenen “k”, zur Sprachfamilie der Ges gehörend. Über die damals am Rio Gurupy noch wild lebenden Gavioes konnte er gute Auskünfte einziehen. Sich wiederholenden Malariaanfälle behinderten und unterbrachen hier seine Arbeit. 2 Monate mußte er auf den nächsten Dampfer warten bei schwer verdaulicher Kost ohne Chinin, ohne Pflege in einer Negerhütte, die durch Lagerung von Salzsäcken stets feucht war. Erst im März 1926 konnte er nach Carolina zurückgebracht werden, wo er von einem dort ansässigen Deutschen gesund gepflegt wurde. Mitte April 1926 kehrte er nach Parà zurück.

Forschungsreise 1933/35

Die zweite Forschungsreise führte ihn 1933/35 in das Gebiet des Itenes/Rio Guaporé. Seine Nebenflüsse und teilweise auch seine Ufer boten damals ethnographisch noch vieles Neue. Denn weder der schwedische Forscher Erland Nordenskiöld noch der brasilianische General Rondon, noch die älteren Reisenden, Missionare und Wissenschaftler haben alle Winkel dieses Landes durchstreifen können. So ist es erkärlich, daß mein Vater zahlreiche der Wissenschaft bis dahin noch unbekannte Stämme antraf.

Mitte Juli 1933 kam mein Vater in Pará an und war am 10. August in Porto Velho, damals Ausgangspunkt der Madeira-Mamoré-Eisenbahn. Mitte August besichtigte er die Steinzeichnungen bei Kilometer 151 dieser Eisenbahn. Anfang September 1933 kam er am Ausgangspunkt seiner Expedition, im Campamento Komarek. Zur Begrüßung brannten die damals noch “wild” lebenden Moré in der Nacht seiner Ankunft das Werkstattgebäude der Farm nieder, aus Wut darüber, daß ein neuer Weißer angekommen war. Entsprechend zögerlich war die Kontaktaufnahme.

Nach 4 Monaten Feldforschungen bei den Moré und Itoreauhip (inzwischen war endlich die immer wieder in Aussicht gestellte und dann doch wieder verzögerte Erlaubnis der brasilianischen Regierung zur Forschungsarbeit eingetroffen) brach er Weihnachten 1933 (am Tag des Todes seines in seiner Abwesenheit geborenen Töchterchens, von dem er aber erst drei Monate später etwas erfuhr) zum Rio Cautario und den dort ansässigen Kumaná auf. Im Februar 1934 besuchte er die Pauserna in Bella Vista, machte Ausgrabungen im Cafétal (Piso firme) und war Anfang März bei den schon zivilisierten Tschikitano in Pernambuco.

Mitte März 1934 Aufbruch in die Dörfer der Makurap-Häuptlige Uaikuri und Guata. Anfang April Weiterreise zur Serra de Allianza mit Ausgrabungen, Mitte April den Mequens aufwärts, zu den Amniapä im Dorfe Tapuawas. (Die Reisen meist allein im Canu, manchmal mit indianischen Ruderern und Wegweisern)

Anfang Mai zu den Guaratägaja, dann zurück den Mequens abwärts und Mitte Juni den Rio Branco aufwärts zu den Arua in San Luiz.

Ende Juni bis Anfang August Fußreise durch den Urwald mit Besuch der Makurap, Jabuti, Wayoro, Arikapu, und Tupari.

Mitte August den Rio Branco abwärts und zurück zum Cautario, im Oktober wieder bei den Moré und Itoreauhip. Ende November Abreise vom Campamento Komarek aus heimwärts.

Die besuchten Indianerstämme im Einzelnen:

Moré und Itoreauhip (Tschapakura)

Auf der bolivianischen Seite des unteren Itenes (Guaporé) haben die sprachlich den Tschapakura angehörenden Moré und Itoreauhip ihre Wohnsitze. Beide Stämme unterschieden sich damals nur durch ihre Dialekte und durch die Haartracht: die Moré trugen ihre Haare offen auf die Schulter herabfallend, die Itoreauhip binden sie zu einem Knoten zusammen. Ihre Kleidung bestand aus meist gestreiften Rindenstoffhemden, doch liefen die Männer gewöhnlich nackt herum. Zu Festen wurde Lippen- und Ohrschmuck, Reife und Federkronen, Federbänder in manigfachen Farben an Armen und Beinen getragen. Zahllos waren bemalte oder bastverzierte Bänder und Gürtel. Körperbemalung war selten, aber die Frauen rieben sich und die Angehörigen gern mit Urucu ein, einer in Palmöl gelösten roten Pflanzenfarbe.

Wohnen

In Großfamilien, etwa 15-70 Köpfe umfassend, lebten die Moré und Itoreauhip in mit Palmstroh bedeckten Giebelhütten. In der mückenreichen Zeit bezogen sie mit Patohu-Blättern völlig geschlossene Schlafhütten, die nur durch ein kleines, durch eine geflochtene Tür verschließbares Loch zugänglich waren. Ihre mit Bananen, Mais, Maiok, Inyame, Bataten, Ananas, Baumwolle und Urucu bepflanzen Rodungen und der Fischfang (Schießen mit Pfeilen von ihren Einbäumen aus, Reusen im Palisadenzaun, Giftliane) lieferten den Lebensunterhalt. Die Jagd mit Pfeil auf Säugetiere und Vögel, bisweilen von bienenkorbartigen Jagdhütten aus, hatte nur Bedeutung, wenn die Moré zur Zeit der Fruchtreife ein Nomadenleben führten. Dann befestigten sie ihre baumwollenen Hängematten an die Stützen ihrer mit Patohublätter bedeckten Unterschlupfe, die ihnen Schutz vor Regenschauern boten.

Männerarbeit

Als Angehörige eines Kriegervolkes legten die Männer großen Wert auf die Ausgestaltung der Rundbögen und Pfeile. Bögen wurden durch Bast- und Baumwollumwicklung verstärkt. Die etwas mehr als meterhohen Pfeile waren sind mit zwei, drei oder vier Federhälften befiedert und tragen je nach Verwendungszweck für Krieg oder Jagd, Bambusmesser- Holzsäge-, Knochen- oder Rochenstachelspitzen.

Außer Jagd und Fischfang besorgten die Männer die Hauptarbeit beim Hüttenbau und auf den Feldern. Sie holten den richtigen Bast aus dem Wald, klopften ihn weich, nähten die Rindenhemden, sie fertigten aus Holz die Boote, die Tröge, die Sitze, das Spielzeug für die Kinder. Sie fegen ihren Arbeitsplatz selbst sauber, oder halfen gelegentlich ihren Frauen, etwas Maniokmehl für die Chichabereitung zu zerkauen.

Frauenarbeit

Aufgabe der Frauen war in erster Linie die Hausarbeit: Mais zerstampfen in länglichen Trögen mit Mahlstein oder Mahlholz, Maniokwurzeln mit einem Holzmesser schälen, an einem dornigen Stelzwurzelstück der Paxiubapalme zerreiben, die gewässerte Reibemasse durch die Stäbchenmatte drücken und dann auf dem Tonteller zu Farinha rösten, daraus wie auch aus Maismehl Fladen backen. Natürlich ist es ihre ständige Aufgabe für die Kinder zu sorgen, aber auch zu töpfern, Baumwolle zu zupfen und zu verspinnen, und daraus Hängematten zu knüpfen, aus feineren Fäden auch Arm- und Beinschnüre auf einem einfachen Webrahmen zu flechten.

Spiele, Musik und Tanz

Unter den Spielen sind das Maisballblattschlagen, das Drehen der Surrscheibe und die Fadenspiele besonders bermerkenswert. Die Moré und Itoreauhip besitzen eine Menge Musikinstrumente. Mit einem Pfiff auf einem einfachen Rohr hatte man sich schon vor jeder Wohnung bemerkbar zu machen. Diese “Pfeife” wurde in mannigfacher Weise ausgestaltet bis zur einfachen Längsflöte und Querpfeife. Wollte der Moré verschiedene Töne vereinigen, nahm er zwei Flöten in den Mund, oder baute sich aus beliebig vielen Rohren eine Panflöte auf. Kürbistrompeten waren sehr beliebt, ebenso Rasseln aus mit Samen gefüllten Kalebassen oder aneinandergereihten kleinen Kürbissen. Trommelschlag auf eine Palmblattscheide gab den Rhytmus eines Galopptanzes an; der “taran” Taktschläger. ein an einem Stab gleitender, aus einer Kalebasse bestehender Schallkörper de langsamen Rhytmus eines andern Tanzes. Andere Tänze wurden mit einer Heulkye, mit Flötenspiel oder Gesang begleitete. Alle Tänze stellten augenscheinlich Vorgänge aus legenden dar.

Zur Sprachfamilie der Tschapakura (Chapakura) schrieb mein Vater: “Créqui-Montfort und Rivet haben 1913 im Journal Soc. Americ. Paris auf Grund des damals vorhandenen Materials die Sprachfamilie der Chapakura aufgestellt. Sie umfaßte damals die Stämme: Chapakura oder Huaci, die Kitemoka, die Parumra (Huanyam), die Napeka, die Iten und mit Vorbehalten, Rokorona und Muré (oder Murä’ [Nimuendaju]). Zu Grunde lagen vor allem die damals noch unveröffentlichten Vokabularien von d’Orbigny in der Bibliothèque Nationale in Paris und die bis dahin veröffentlichten Worte und Sätze von d’Orbigny, Cardús und Hasemann. Es war genügend, um die Aufstellung dieser Sprachfamilie zu rechtfertigen.

Später brachte Nimuendaju noch Wortlisten heraus, die diese Gruppe um 3 Stämme vermehrte: die Tora, Jain und Urupá (As tribus do Acro Madeira, Journ. 1925). Das Gebiet wird also weithin nach Norden ausgedehnt. Nordenskiöld veröffentlichte leider nur einzelne Ausdrücke (Forschungen und Abenteuer), doch dürfte weiteres Material mitgebracht worden sein.

Die auf meiner Reise in das Guaporégebiet gmachte sprachliche Ausbeute erlaubt, noch die Kumaná und Kabixi-Huanyam hinzuzufügen. Gleichzeitig wurden die Wortlisten der Abitana-Huanyam am Miguel und die der Iten (in Wirklichkeit mindestens 2 Stämme: Moré und Itoreauhip) vergrößert, so daß es möglich ist, das von Criqué-Montfort und Rivet zusammengebrachte Material kritisch zu betrachten. Konnte ich auch nicht zusammenhängende Texte mitbringen, so dürfte doch das Typische der Chapakura – oder wie ich sie nennen möchte – Huanyam– Sprachen schärfer hervortreten.”

Kumaná (Tachapakura)

Auch die Kumaná zwischen dem mittleren Cautario und dem Rio S. Domingos sind Tschapakura. In Kultureller Beziehung wichen sie aber damals beträchtlich von den Moré und Itoreauhip ab. Die Kumaná wohnen in großen ovalen Hütten. Nackt liefen bei ihnen nur die Frauen, bei Besuch und Festlichkiten zogen sie ihre mit bemerkenswert schönen Mustern bemalten Rindenhemden an. Die Männer hatten ausgesprochenes Scamgefühl. Sie zeigten sich nur in ihrem über der Hüfte hochgegürteten Bastkleid. Auch Bastjacken wurden angefertigt. Die einschnürenden Bänder an Armen und Beinen waren breit und mit Fransen versehen, der Schmuck war sorgfältiger gemacht. Die Pfeile waren größer als bei den Moré, der Vogelpfeil hatte eine Spitze aus mit Wachs verbundenen Tapirzähnen. Die Bastklopfer waren rund statt kantig, die Sindeln hatten Wirtel aus Lalebassenschale, anstatt aus Früchten oder korkigem Holz, die Frauen zermahlten den Mais auf breiten Platten aus der Brettwurzel eines Urwaldriesen anstatt in einem Mörser. Der Tanz ist ein Gänsemarsch im Kreise nach Gesang, Geräusch von Rassel und den tiefen Tönen einer Kürbistrompete.

Abitana-Huanyam

Die Kumaná bilden kulturell schon den Übergang zu den ebenfalls Tschapakura sprechenden Abitana-Huanyam am Rio S. Miguel. Aber der Besitz von Giftpfeilen und Blasrohren unterscheidet diese doch wesentlich von jenen, zumal dazu noch zahlreiche Merkmale untergeordneter Art kommen. Jede Huanyamfrau trug damals noch trotz europäischer Kleidung den schweren Lippenpflock aus Quarz, der ihre Würde als verheiratete Frau anzeigte. Unter den Musikinstrumenten ist die aus den Oberschenkelknochen erschlagener Feinde gefertigte Trompete besonders zu erwähnen. Der Tanz bewegte sich auch bei den Huanaym im Kreise.

Im Gebiet des Rio Branco gab es keine Tschapakura mehr. Aber in sehr vielen Sprachen traten Tupi-Elemente auf, doch so, daß diese Sprachen nach Auffassung meines Vaters nicht als miteinander nahe verwandt bezeichnet werden konnten. Unter ihnen beherrschste der tupoide Stamm der Makurap kulturell alle seine Nachbarn. Er war in vaterrechtliche Sippen aufgespalten, die sich nach Tieren oder Pflanzen nannten. Sie glaubten an zwei gute Götter und an einen schlechten, Tschoari, den Herrn der Geister und Totenseelen. Dem Kult diente ein meist bemalter Mattenaltar, der in der Mitte des hohen Kelhauses stand, der Eingangstür gerade gegenüber. Der Zauberer bedienste sich bei verschiedenen Zeremonien und Krankenheilungen der Zauberrassel, des Zauberbrettes, verschiedener Heilpflanzen, des Schnupfrohres, der Zauberfeder und bisweilen auch anderer Geräte.

Die Angehörigen beider Geschlechter gingen damals noch nackt bis auf den aus Samen bestehenden Hüftgürtel und Schmuck: breite auf einem runden Holz in passender Größe gewebte, urucurot gefärbte Armbänder, aus Sämereien oder zurechtgeschliffenen Muscheln bestehendem Halsschmuck, dem aus Rohr oder einem mit Federn beklebten und dann mit hellem Harz überzogenem Stäbschen bestehenden Nasenschmuck und dem aus Muschelschalen geschliffenen Ohrgehänge. Der Mann trägt außerdem immer den Penisstulp.

Korb- und Mattenflechterei ist Männerarbeit, Frau fertigen Kalebassen und Tragnetze aus Tukumfasern. Baumwolle wird auf Bakairiweise versponnen, spielt aber keine große Rolle. Bogen und Pfeilen entsprechen denen der von Nordenskiöld beschriebenen Huari. Der Tanz besteht aus schnellen Schritten hin und her nach dem Takt von Bambustrompeten oder einem Instrument, das aus 9 durch Wachs miteinander verbundenen Flöten besteht. Die Hand liegt dabei meist auf der Schulter des Vordermannes.

Arua

Die Arua sind ebenfalls ein tupoider Stamm. Eine ihrer Horden war damals schon auf einer Indianerstation gesammelt worden und trug deshalb europäische Kleider. Ihre ursprünglich abweichende Kultur war von der der Makurap bereits überdeckt.

Wayoro

Auch die damals schon geringen Überreste der Wayoro, die sprachlich eine Mischung zwischen Makurap und anderen tupoiden Stämmen sind, hatten die Makurapkultur völlig übernommen.

Jabuti und Arikapu

Sogar die Jabuti und Arikapu, deren völlig andere Sprachen zahlreiche Elemente der Oststämme Brasiliens, der Ge, enthalten, waren damals stark von den Makurap beeinflußt.

Tupari

Ziemlich unabhängig waren damals noch die tupoiden Tupari. Sie besaßen keinen Mattenaltar, Dafür spielte das Schnupfen bei Zauberzeremonien eine viel größere Rolle als bei den übrigen Branco-Stämmen.

Von den Gegenständen der materiellen Kultur unterscheiden sich viele in ihrem Aussehen von denen der anderen Indianer: der Bogen, die Pfeile, der Sitz, die Schambekleidung, der größte Teil des Schmuckes, die Spindeln, die Musikinstrumente. Hier gab es eine viergriffige Längsflöte aus Bambus. Auf den Rodungen wurden mehrere den übrigen Brancostämmen unbekannte Gemüsepflanzen gezogen, Käfer wurden in den dicken Rückständen der Chicha gezüchtet, um in den Larven einen wohlschmeckenden Leckerbissen und eine Beigabe zum Maniokbrot zu erhalten. Steinäxte waren noch im Gebrauch.

Von den Tänzen ähnelt der Chichatanz dem der übrigen Brancobewohner. Der Flötentanz wurde dagegen nur von zwei sogenannten Häuptlingen, die ständig in gleicher Entfernung voneinander blieben, vorgeführt.

Amniapä und Guaratägaja

Die Tupari nähern sich in ihrer materiellen und sozialen Kultur bereits den Amniapä (Mampiapä) und Guaratägaja im Gebiete des oberen Mequens und der auf demselben Höhenzug entspringenden Zuflüsse des Pimenta Bueno. Wie die Tupari aßen diese Indianer jedenfalls damals noch von Zeit zu Zeit Feinde und ungetreue Angehörige des eigenen Stammes. Das ganze Leben der Amniapä und Guaratägaja war von Zeremonien ausgefüllt. Mit dem Pfeil im Bogen marschieren Gäste in ein immer aus mehreren bienenkorbartig aussehenden und um einen sauber gehaltenen Platz gruppierten Kegelhütten bestehendes Dorf. Erst nach gemessenen Reden und dem Austrinken einer großen Kalebasse Chicha ist freierer Verkehr möglich. Groß ist dann auch die gewährte Gastfreundschaft. In einem Spiel mit einem aus Kautschuk bestehenden Ball, der nur mit dem Kopf berührt werden darf, wir die Geschicklichkeit erprobt. Pfeile oder Schmuck sind der Einsatz jeden Mitspielers; ausgezählt werden die einzelnen Spiele mit Maiskörnern.

Kultisches Schnupfen im Mänerkreis schließt sich an.; die Frauen haben während dieser Zeit im Hintergrund der Hütte zu verbleiben. Erst wenn die Speisen gesegnet werden und die Krankenheilungen beginnen, dürfen sie wieder hervorkommen. Der Tanz beginnt aber erst in den Abendstunden und dauert die Nacht hindurch an. Er endet bei Aufgang der Sonne. Kurze Zeit danach verabschieden sich die Gäste mit traurigen Reden und Tränen in den Augen.

Während im Branco-Gebiet Männer und Frauen fast den gleichen Schmuck tragen, ist er am Mequens bei beiden Geschlechtern sehr verschieden. Die Männer der Guaratägaja tragen außer dem Stulp, der nach seiner Machart die einzelnen Gruppen unterscheidet (die Amniapä tragen keinen) noch einen Schurz aus Buritypalmfasern, dazu reichen Schmuck an Schulter- und Halsketten, Armbändern, Gesichtsschmuck. Die Frauen sind mit zahllosen Halsketten behangen, meist solchen aus Samen. Besonders charakteristisch sind Ketten aus ganzen Muschelschalen, dazu Nasen- und Ohrschmuck abweichend von denen der Männer.

Bis auf die gewirkten Bänder machen sich die Männer ihre Sachen selber. Sie ritzen oder bemalen die Behälter ihres Schnupftabaks, von denen einige Muster aufweisen, die denen des Xingu-Quelgebietes ähnlich sind. Sie fertigen auch die Maskenaufsätze, an denen die aus Palmfiedern geschnittenen Zähne auffallen. Als Instrumente dienen Piranhakiefer, Agutuzahnmesser, KIeselsteine. Auch die Palmfiederröcke werden von den Männern hergestellt, von ihnen werden auch die Körbe geflochten. Musikinstrumente sind Kürbistrompete, Panflöte, viergriffige Flöte, Knochenflöte, Rassel. Pauserna-Guarayu

Die Pauserna-Guarayu hatten ihre urprüngliche Kultur bis auf wenige Sachen völlig eingebüßt. Einige Gegenstände der Hauswirtschaft und des Mobiliars hatten sich erhalten. Die Hängematte z.B. wurde damals für den Verkauf hergestellt. Auch die Tongefäße wurden, wenn auch in sehr vereinfachter Form von den Frauen noch getöpfert. Die Pauserna mischen den durch Srampfen alter Tonscherben erhaltenen Staub mit frischer Tonerde, um widerstandsfähige Keramik zu erzielen. Der alte Schmuck war damals schon fast völlig verschwunden.

Tschikitano

Die von den Jesuiten schon christianisierten Tschikitano hatten ihre ursprüngliche Kultur damals schon völlig verloren. Nur in wenigen Überlieferungen, vielleicht in einigen Tänzen lebte noch der alte Geist.

Sammlungen

Von der Sammlung ging ein Teil, hauptsächlich Doubletten, an das Museu Nacional in Rio de Janeiro. Ein erhaltenes Übergabeverzeichnis vom 22. Februar 1935 nennt rund 130 Objekte und aus Ausgrabungen stammende Keramikscherben.

  • 8 Objekte der Kumaná und 79 cacos de ceramica aus Canindé
  • 21 Objekte der Abitana-Huanyam
  • 19 Objekte der Arua
  • 13 Objekte der Makurap
  • 4 Objekte der Jabuti
  • 11 Objekte der Wayoro
  • 15 Objekte der Tupari
  • 33 Objekte der Amnipä und Guaratägaja

Die Haupt-Sammlung ging an das Völkerkunde Museum in Berlin.

Wissenschaftliches Tagebuch

Die Durchschriften des wissenschaftlichen Tagebuchs meines Vaters von der Forschungsreise 1933/35 in das Guaporégebiet konnte meine Mutter mit Hilfe Professor Rivets, Paris und Professor Gusindes, Wien, über den Krieg hinweg retten. Erhalten sind 1042 Seiten des Tagebuchs.

Veröffentlichungen

(unvollständige Zusammenstellung)

Dissertation

  • Beiträge zur Kenntnis der Gattung Cecropia und ihrer Beziehungen zu den übrigen Conocephaloideen. Friedrich-Wilhelms-Universiotät6 Berlin

Wissenschaftliche Zeitschriftenaufsätze:

  • Neue Arten der Gattung Cecropia nebst Beiträgen zu ihrer Synonymik. In: ….
  • Neue Cecropien aus Nordbrasilien. In: Notizbl. Bot. Gart. u. Museum Dahlem, Bd. IX (30.12.1924).
  • Form und Ornamentik alt-peruanischer Spindeln, Baeßler-Archiv 1930
  • Unter nordostbrasilianischen Indianern. In: Ethnologischer Anzeiger, Bd. II, Heft 4, 1930, S. 185-188.
  • Ein figürliches IKat-Gewebe aus Peru, Weltkreis 1931
  • Emilie Snethlage: Chipaya- und Curuaya-Wörter. Aus dem literarischen Nachlaß herausgegeben von E.H. Snethlage. In: Anthropos, Bd 27, 1932, S. 65-93.
  • Worte und Texte der Tembé-Indianer, Tucuman, 1932
  • Übersicht über die Indianerstämme des Guaporégebietes, Leipzig 1936
  • Nachrichten über die Pauserna-Guaravú. In: Zeitschrift für Ethnologie LXVII
  • Musikinstrumente der Indianer des Guaporégebietes. In: Baessler-Archiv, Heft 10, Berlin 1939.
  • Untersuchung über das Pferdchen-Spiel auf Java und Bali, Berlin 1939

Populärwissenschaftliche Schriften und Zeitungs-Artikel:

  • Indianerkulturen aus dem Grenzgebiet Bolivien-Brasilien, Berlin 1935 und 1936
  • Atiko y. Meine Erlebnisse bei den Indianern des Guaporé. Berlin (Klinkhardt u. Biermann) 1937
  • [Rezensionen:
    Stig Rydén in: American Anthropolgist, Vol. 40, No. 1, January-March 1938
  • Im Indianerdorf (Einführung zur Kinderstunde der Deutschen Welle, Reisen und Abenteuer, “Im Indianerdorf” am Do. 10.1.1929, 14.30 -15 Uhr. In: Deutsche WlleJgg. 1929, Nr. 1 (4.1.1929), S. 11.
  • Bei den Indianern des nordostbrasilianischen Hochlandes. In: Illustrierte Zeitung, Leipzig (Verlag J.J. Heber), 169. Band, Nr. 4298, 28.7.1927, S. 144
  • Zwei Jahre in ewigen Wäldern. In: Leipziger Neueste Nachrichten. 1935, Nr. 155, Di, 4.6.1935, 1. Beilage, S. 5
  • Zwei Jahre in ewigen Wäldern. In: Hannoverscher Kurier, Jgg. 1935, Nr. 252 53, So. 2.Juni 1935,

Nachrufe:

  • Dr. Emilie Snethlage zum Gedächtins. In: Journal für Ornithologie, LXXVIII, Heft 1, 1930, S. 122-134. (mit Bild).
  • Erland Nordenskiöld. (+ 5.7.1932) In: Zeitschrift für Ethnologie, 64. Jgg. S. 368.
  • Theodor Koch-Grünberg (+ 9.4.1932). In: Deutsche Allgemeine Zeitung, Do. 7.4.1932.
  • Robert Lehmann-Nitsche. In: Archiv für Anthropologie. N.F. Bd. 24, Heft 3-4, S. 275-278.
  • Konrad Theodor Preuss. In: Archiv für Anthropologie. N.F. Bd. 24, Heft 3-4, S. 275-278.

Rezensionen:

  • Schauinsland, H.: Fragen und Rätsel Bremen, 1931.
  • Wassén, Henry: Original Documents from the Cuna Indians of San Blas, Panama.
  • Baldus, Herbert: Ensaios de Etnologia Brasileira. Rio de Janeiro 1937
  • Rydén, Stig: Archaeological Researches in the Department of La Candelaria. Göteborg 1936.
  • zahlreiche weitere Besprechungen im Archiv für Anthropologie, N.F. und Ethn. Anz.

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